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Organtransplantierte

Herz mit Pflaster - Fotohinweis: © Malte Müller

Neue Niere - neues Leben

Stephanie bekam als Teenager eine neue Niere transplantiert, ihre Jugend verlief dadurch ungewöhnlich. Heute, mit 30 Jahren, ist sie gesund und kann Dinge tun, die sie sich damals nicht hätte vorstellen können. Ein Gespräch über Jugend, Organspende und darüber, wie man Betroffene unterstützen kann.

Stephanie, wann stellte sich dein Leben auf den Kopf?

Schon sehr früh. Mit etwa vier Jahren wurde festgestellt, dass ich nur eine Niere habe. Und mit zehn Jahren fing es dann an, dass diese Niere immer schlechter wurde. Zu dem Zeitpunkt war ich das erste Mal für eine ganze Woche stationär im Krankenhaus. Dort erhielt ich die Diagnose juvenile Nephronophthise bei einer Einzelniere links. Also: eine angeborene Nierenerkrankung, die zu einem Eintreten des Nierenversagens führt. Oft zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr. Seitdem stand dann auch fest, dass ich an die Dialyse muss und auch, dass ich ein neues Organ brauche.

Konntest du überhaupt ein Teenager sein?

Das hat eigentlich immer gut geklappt. Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag hatte ich allerdings meine "Schichten" im Krankenhaus, also meine Dialysetage. Zu denen musste ich Dienstag und Donnerstag früh um sieben Uhr aus dem Haus und bin abends zwischen sieben und acht wieder nach Hause gekommen. Das war wie ein Vollzeitjob, denn Schule hatte ich ja auch noch. Auch samstags ging es für mich um sieben los, wurde aber gegen Mittag wieder nach Hause gebracht. Meistens habe ich samstagnachmittags einfach nur geschlafen, oft aber nur so lange bis meine Schwestern mich weckten und fragten, ob ich mit rausgehen will. Das habe ich dann auch gemacht. Alkohol trinke ich bis heute nicht, das hat mich aber auch nie gestört. Es ging mir immer nur um das Erlebnis und einfach mal rauszukommen.

In welchem Moment hast du erfahren, dass du eine neue Niere erhältst?

Ich war gerade mit der zehnten Klasse fertig, es waren Sommerferien und am 1. September sollte meine Ausbildung beginnen. Am 28. August war es dann so weit. Ich war auf dem Weg zur Dialyse, wo die Ärzte schon auf mich gewartet haben, um mir zu sagen, dass ich heute meine Niere bekomme. Das kam dann doch überraschend. Ich habe sofort meine Eltern angerufen und mein erster Satz war: "Aber ich muss doch meine Ausbildung anfangen?!".

Meine Eltern haben mich aber beruhigt und sind sofort zu dem Krankenhaus gekommen, in dem ich transplantiert wurde, zeitgleich mit der neuen Niere übrigens.

Wie hast du diese Zeit für dich erlebt?

Die Zeit bis zur Transplantation war für mich weniger problematisch, weil ich in meiner Freizeit fast alles tun konnte. Erst in dem letzten Jahr an der Dialyse ging es mir wirklich schlechter. Da war ich immer sehr schlapp. Und auch nach der Transplantation war ich noch sehr lange im Krankenhaus, weil es nicht so gut lief, wie gehofft. Man war sich nicht sicher, ob ich das Organ wirklich behalte, weil ich Abstoßungsreaktionen hatte. Dazu hatte ich noch extreme Wassereinlagerungen und es stand im Raum, ob ich wieder an die Dialyse muss, um das neue Organ zu unterstützen. Das war zum Glück nicht nötig. Es wurden viele Methoden und Medikamente ausprobiert und trotzdem wollte mein Körper die Niere nicht so richtig annehmen. Nach mehreren Gewebeproben sagten mir die Ärzte, wenn es jetzt ein weiteres Mal zu Abstoßungsreaktionen kommt, können sie für das Organ nichts mehr tun. Das war ein sehr schwerer Kampf für mich. Im Laufe der Zeit habe ich angefangen meiner Niere einen Namen zu geben, damit ich sie auch in meinem Kopf akzeptiere. Ich habe sie "Kitty" genannt. Und vielleicht hat mein Körper sie gerade deswegen erst angenommen.

Was hat dir am meisten geholfen, wenn es dir nicht so gut ging?

Meine Freunde und meine Familie waren das Wichtigste für mich in dieser Zeit. Es ist glaube ich für jeden Menschen wichtig, dass man da jemanden hat. Mir hat das viel Kraft gegeben. Auch wenn man oft allein im Krankenhaus ist, weil das Immunsystem so geschwächt ist und deswegen nur selten Besuch bekommt, hilft neben einem offenen Ohr manchmal einfach nur eine Umarmung. Ich bin auch von Anfang an in psychologischer Betreuung gewesen, also ab dem Moment, in dem feststand, dass ich an die Dialyse muss. Die Therapie war für mich anfangs zwar immer der schlimmste Termin, weil ich dachte: Das brauche ich nicht. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass es eigentlich das Beste war, was mir passieren konnte, denn so eine Situation ist schon ganz schön belastend.

Was würdest du denn sagen: Wie sollten sich Nichtbetroffene verhalten, wenn ein nahestehender Mensch sich in dieser Lage befindet?

Ruhe bewahren. Man selbst kämpft mit seinen Gedanken schon allein genug. Das Wichtigste ist, einfach nur für diesen Menschen da zu sein und ein offenes Ohr zu haben. Oder einfach mal jemanden in den Arm zu nehmen. Meistens bekommen andere erst dann ein Bewusstsein für Menschen in dieser Situation, wenn es tatsächlich dazu kommt. Gerade in meinem Fall glaube ich auch, dass viele gesehen haben, wie wertvoll Organspende sein kann, die es vorher weniger ernst genommen haben. Ich würde niemandem aufzwingen einen Organspendeausweis zu haben, aber es kann Leben retten.

Außerdem hatte ich insgesamt große Unterstützung von meiner Familie und von Freunden, das tut wahrscheinlich auch allen Betroffenen gut. Auch meine Schule hat einiges für mich möglich gemacht. Klassenfahrten wurden an mich angepasst und ich bin froh, dass alle so viel Verständnis hatten. Auch durch Vereine, die Urlaubsreisen für Menschen an der Dialyse und Transplantierte organisieren, habe ich Reisen unternommen. Ich war zum Beispiel in Istanbul und während meiner Reise dort an der Dialyse. Wenn das Umfeld so etwas möglich macht, ist das natürlich klasse.

Wie ist dein Leben mit dem neuen Organ?

Mein Leben war plötzlich ein ganz anderes. Pro Woche hatte ich plötzlich etwa 18 bis 19 Stunden mehr Lebenszeit dazugewonnen, als ich nicht mehr zur Dialyse musste. An der Dialyse durfte ich auch nicht zu viel trinken, heute muss ich vier Liter am Tag trinken und kann nahezu alles essen. Schokobananen liebe ich sehr, konnte ich aber an der Dialyse nicht essen, weil es zu viel Kalium hat. Ich habe dann immer nur ganz wenig probiert, um mal den Geschmack im Mund zu haben. Nach der Transplantation durfte ich dann wieder essen, ohne zu überlegen. Ein tolles Gefühl! Mein Ausbildungsplatz wurde glücklicherweise für mich freigehalten. Damit konnte ich dann auch endlich beginnen. Am Anfang gab es schon die Sorge, ob ich öfter ausfalle, weil ich krank bin. Tatsächlich habe ich heute nicht mehr Krankheitstage als andere. Manchmal habe ich noch das Gefühl, dass ich zu spät zur Dialyse komme oder etwas nicht essen darf, aber dann wird mir auch bewusst, dass ich das gar nicht mehr muss. Gerade am Anfang war das eine Umstellung, weil es zuvor einen großen Teil meines Lebens ausgemacht hat. Heute gehören viele Tabletten zu meinem Alltag. Auch die können zu Rückschlägen führen, die ich selbst erlebt habe, weil ich ein Medikament nicht vertagen habe. Ohne meine Medikamente gehe ich aber nicht mehr aus dem Haus.

Wie blickst du in die Zukunft?

Fakt ist, dass ich die Niere nicht bis zu meinem Lebensende haben werde. Mit bisher 14 Jahren ist es gut gelaufen, dafür, dass es am Anfang so kritisch war. Ich hoffe, dass die Niere noch lange hält und es sieht gut aus. Ich weiß, dass man mit nur einer Niere oder einer Nierenerkrankung die Lebenszeit an der Dialyse gut überbrücken kann. Ich weiß aber auch, dass ich irgendwann eine weitere Niere benötige. Das sehe ich aber optimistisch. Ein großer Wunsch von mir ist es, sich bei der Spenderfamilie zu bedanken. Bisher habe ich nicht die richtigen Worte gefunden. Ich warte noch auf den richtigen Moment für mich, um einfach Danke zu sagen.

Fotohinweis: © Malte Müller

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