Miss Bremen

Drei Fotos von Mara Maeke - Fotohinweis: © Mara Maeke

Mara, was ist Schönheit für dich?

Schönheit ist für mich nicht das Aussehen eines Menschen. Schönheit ist vielmehr der Mensch als Ganzes. Denn du kannst ja wunderschön und makellos aussehen, aber einen furchtbaren Charakter haben, und ich finde, das spiegelt sich dann auch im äußeren Erscheinungsbild wider. Andererseits kannst du von Narben gezeichnet sein, aber einen wunderschönen Charakter haben. Der strahlt von Innen heraus.

Du bist amtierende Miss Bremen und warst bei Miss Germany. Warum bist du so erfolgreich?

Ich habe vielleicht einfach eine Geschichte, die die Menschen überzeugt, aber: Ich bin auch nicht besser als jede andere Frau. Mir war es nie wichtig, einen Titel zu gewinnen oder beim Wettbewerb nur für mich mitzumachen, sondern irgendwem da draußen helfen zu können. Ich wollte die Chance nutzen, eine Bühne zu bekommen und anderen Mut machen. Doch auf keinen Fall wollte ich Mitleid für meinen Weg bekommen. Nach langem Hin und Her habe ich einfach gedacht "Warum nicht?". Unter 15.000 Bewerberinnen habe ich diese Chance bekommen. Schon vor Miss Germany habe ich Social Media als Blog für meine Freunde genutzt. Irgendwann postete ich mal ein Foto mit vielen Schläuchen am Körper auf Instagram, um zu zeigen: "Hey, ich sehe zwar aus, als hätte ich einen Kampf verloren, aber ich bin noch mittendrin." Über Nacht habe ich Tausende Likes bekommen und mir ist klar geworden, dass ich meine Geschichte viel öffentlicher machen muss. Denn sie berührt viel mehr Menschen als nur meine Freunde.

Was war der Wendepunkt in deinem Leben?

2016 habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich musste täglich 30-mal auf die Toilette, habe Nahrungsmittel nicht mehr gut verarbeiten können und viele Medikamente bekommen. Mit der Diagnose Colitis ulcerosa, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, bekam ich dann 2018 meine Stoma-Operation. Es war zunächst ein kleiner Einschnitt mit dem Beutel am Bauch, also dem künstlichen Darmausgang. Als ich aufwachte, dachte ich: "Okay, damit kannst du leben." Durch schwere Entzündungen und Darmverschlüsse hatte ich dann aber mehrere Notoperationen und eine weitere OP, bei der mein Bauch knapp 20 Zentimeter aufgeschnitten wurde. Auch der Eingriff ist erst nicht richtig zugeheilt und eine riesige Narbe ist geblieben. Ich habe wochenlang nur meinen Bauch angesehen und geweint, weil ich das Gefühl hatte, komplett entstellt zu sein. Irgendwann habe ich dann aber gedacht: Genau das ist der Grund, warum ich noch lebe. Und ja, ich habe einen künstlichen Darmausgang, aber all meine Narben zeigen, welche Kämpfe ich geführt habe, wie stark ich war, bin, sein kann und werde. Darauf kann man stolz sein.

Denkst du seitdem anders über Schönheit?

Viele Menschen haben Narben, die wir nicht einmal sehen können. Man sollte nicht vorschnell über jemanden urteilen, denn wir kennen ihre Geschichten nicht. Es ist total traurig, wie viele von uns nur noch die Norm auf Instagram wahrnehmen und nur noch das Perfekte sehen. Das ist so gefährlich, weil man gar nicht mehr versteht, dass es auch Unperfektes im Leben gibt. Wir können oft nicht mal stolz auf uns sein, weil wir einfach nur mal einen schlechten Tag überstanden haben, sondern denken: Wir können besser, wir müssen mehr! Aber wir vergessen dabei, wie einzigartig wir wirklich sind, mit allem, was uns ausmacht. Heute gucke ich in den Spiegel und denke: "Warum hast du dich früher so verrückt gemacht, diese Leberflecken an dir so gehasst?" Ich habe sie mir wirklich entfernen lassen, weil ich sie nicht mehr an mir sehen konnte … dabei ist es total okay, auch nicht perfekt zu sein.

Was hat dir der Beruf des Models über Schönheit beigebracht - und was der Beruf als Forscherin?

Das Modeln hat mich vor allem eines gelehrt: Wir alle haben unsere ganz eigene Definition von Schönheit. Das, was ich als wunderschön beschreibe, ist für jemand anderen vielleicht genau das Gegenteil. Wir alle sind absolut verschieden und wir können uns überhaupt nicht miteinander vergleichen. Und genau das sollten wir auch nicht tun. Unsere Einzigartigkeit ist unsere Stärke. Ich würde mich allerdings nicht als klassisches Model beschreiben. Ich selbst sehe mich eher als Forscherin. Denn dadurch habe ich erkannt, dass Schönheit in so vielen verschiedenen Dingen des Lebens stecken kann. Ich habe Schönheit schon an den verschiedensten Orten gefunden: Der perfekte Sonnenaufgang mitten über dem Atlantik, Plankton, das aus dem Ozean entnommen wurde und in allen Regenbogenfarben strahlte oder die Vielfalt unter dem Mikroskop. Schönheit kannst du überall finden, du musst eben nur deine Augen dafür öffnen.

Wann hast du beschlossen, Wissenschaftlerin zu werden und wie kam das?

Mein großer Traum war es immer Medizin zu studieren. Allerdings war mein Abischnitt dafür nicht annähernd gut genug. Ich schrieb mich schließlich für einen zulassungsfreien Studiengang ein: Geowissenschaften, also die Erforschung des Systems Planet Erde. Während meines Studiums habe ich dann gemerkt, dass ich wirklich Spaß an der Wissenschaft habe und so bin ich schließlich in genau dem Bereich geblieben und mache sogar heute meinen Doktor in der Meeresbiologie: Ich glaube keiner meiner Lehrer hätte das jemals erwartet. Aber auch da sollte man sich auch nicht reinreden lassen, man sollte das tun, was einen glücklich macht. Das war mir immer wichtig.

Begegnen dir im Jahr 2021 noch Menschen mit Vorurteilen, wenn du ihnen sagst, dass du Model bist?

Da ich mich selbst nicht als Model beschreibe, gibt es nur wenige solcher Situationen. Aber besonders bei der Miss Germany Wahl bin ich oft damit konfrontiert worden. Die Miss Germany Wahl war lange ein Schönheitswettbewerb, bei dem Frauen nach ihrem Aussehen bewertet wurden. Doch auch hier gab es im Jahr 2019 einen Wandel weg von einem reinen Schönheitswettbewerb, hin zu einem Wettbewerb, der nach Frauen mit Persönlichkeit sucht. Es sind Frauen wie du und ich, die ihre eigene Geschichte erzählen. Also auch kein Bikini-Walk mehr. Unter dem Leitspruch "empowering authentic women" hat man dann gesehen, wie viele Frauen sich tatsächlich beworben haben. Daneben gibt es aber auch noch andere Wettbewerbe, bei denen Frauen immer noch im Bikini vor eine Jury treten. Aber ganz ehrlich: Es ist nichts toll daran, Frauen im Bikini und in High Heels auf dem Laufsteg herumwackeln zu lassen, die anhand dessen von einer Männerjury bewertet werden. Und das ist erst recht nichts, was wir heutzutage sein sollten.

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