Künstliche Befruchtung

Besteht ein Kinderwunsch und die Partner sind sich einig, geht es nur noch um den richtigen Zeitpunkt, wenn es doch nur so einfach wäre. In der Realität bleibt laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Schnitt etwa jedes zehnte Paar im Alter zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ungewollt kinderlos, das sind knapp 30 Prozent.

Drei Fakten zur ungewollten Kinderlosigkeit:1

  • Im Alter bis 29 Jahre hatten 71 Prozent der Frauen und der Männer mit unerfülltem Kinderwunsch noch nie Zweifel an ihrer eigenen Fruchtbarkeit.
  • 22 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer haben bereits zehn Jahre und länger den bisher unerfüllten Wunsch nach einem Kind.
  • Gleichgeschlechtliche Paare mit unerfülltem Kinderwunsch machen mit 3 Prozent bei den Frauen und 8 Prozent bei den Männern bisher nur einen kleinen Anteil der ungewollt Kinderlosen aus.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und nicht immer gesundheitlich bedingt. Denn auch gleichgeschlechtliche Partner sind bei einem Kinderwunsch auf künstliche Befruchtung angewiesen.

Die Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin und Familientherapeutin und Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung (BKiD) Dr. Petra Thorn hat diesen Beitrag mit ihrer Expertise unterstützt. Genauso wie Professor Dr. Markus Kupka, der Reproduktionsmediziner im Kinderwunschzentrum Hamburg in der Altonaer Straße ist.

Ein äußerst sensibles Thema

Dr. Petra Thorn erklärt, warum ungewollte Kinderlosigkeit und künstliche Befruchtung so sensible Themen sind. So bedeute ein unerfüllter Kinderwunsch für viele eine existenzielle Lebenskrise, dazu eine Wahrnehmung des Andersseins. Denn Paare müssten oft mitansehen, dass Freunde und Verwandte problemlos Kinder bekommen könnten und empfänden sich als nicht zugehörig zu dieser Normalität.

Betroffene verglichen den unerfüllten Kinderwunsch deshalb mit einer Trauer, die sich so anfühle, als würde die Zukunft sterben. Für Außenstehende sei das oft schwierig nachzuvollziehen. Gerade bei Männern werde Kinderlosigkeit oft mit Impotenz und mangelnder Männlichkeit verbunden, obgleich es hier keine Verbindung gibt, so die Expertin. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, um Hilfe zu erhalten. Denn auch trotz vorhandener Kritik, vor allem durch ethische oder religiöse Kontroverse, ist die Kinderwunschbehandlung für ungewollt kinderlose Menschen eine Chance.

Kostenübernahme

Die Zahl der reproduktionsmedizinischen Behandlungen ist in Deutschland in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch für weibliche homosexuelle Paare und unverheiratete Paare ist die künstliche Befruchtung in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Zudem gibt es die Möglichkeit des Social Freezings, bei den Frauen unbefruchtete Eizellen einfrieren lassen können, um sie zu einem späteren Zeitpunkt für eine künstliche Befruchtung zu verwenden. In beiden Fällen müssen die Kosten dafür aktuell selbst getragen werden.

Wenn die Schwangerschaft auf natürlichem Wege aufgrund von gesundheitlichen Aspekten nicht möglich ist, genehmigen die gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich 50 Prozent der Kosten. Der Rest bleibt im Normalfall Eigenanteil. Die Behandlungskosten fangen bei rund 600 Euro für eine Insemination an und hören bei etwa 5.000 Euro für eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion auf. Eventuell kommen Kosten für Zusatzbehandlungen hinzu.

Für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse dürfen die gesundheitlichen Gründe nicht selbstverschuldet sein. Die Innovationskasse übernimmt 50 Prozent der Kosten für die ersten drei Behandlungsversuche für die In-Vitro-Fertilisation (IVF) und die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Voraussetzungen sind dabei:

  • Das Paar ist verheiratet.
  • Beide Partner haben das 25. Lebensjahr vollendet.
  • Weibliche Versicherte müssen unter 40 Jahre und männliche Versicherte unter 50 Jahre alt sein.
  • Es dürfen nur Ei- und Samenzellen des Ehepaars verwendet werden.

Private Versicherungen übernehmen unter Umständen weitere Kosten. Auch einige Bundesländer beteiligen sich an den Kosten.

Dauer und Methoden

Nach eingehender Beratung erfolgt zunächst die Diagnostik. Hier soll herausgefunden werden, warum eine Schwangerschaft auf dem natürlichen Wege nicht zustande kommt. Welches Verfahren dann genutzt wird, hängt von den Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit ab. Die Behandlung selbst dauert etwa drei Wochen, die Vorbereitung dagegen ein bis zwei Monate, erklärt Professor Dr. Kupka vom Kinderwunschzentrum Hamburg in der Altonaer Straße.

Bei einer künstlichen Befruchtung hilft der Reproduktionsmediziner, die männliche Samenzelle und die weibliche Eizelle entweder innerhalb oder außerhalb des Körpers der Frau zusammenzuführen. Doch zunächst müssen Samen durch Masturbation, Operation oder Samenspende gewonnen werden. Der Zyklus der Frau wird genau beobachtet und analysiert. In manchen Fällen werden Hormonpräparate eingesetzt, um den Eisprung bei der Frau gezielt auszulösen. Hierbei geht es darum, den optimalen Zeitraum für eine Befruchtung abzupassen. Dann stehen unterschiedliche Methoden zur künstlichen Befruchtung zur Verfügung.

1. Intrauterine Insemination (IUI)

Unter der Intrauterinen Insemination versteht man eine künstliche Samenübertragung. Das bedeutet, dass den Samenzellen des Mannes geholfen wird, den Weg zur Eizelle der Frau zu finden. Das passiert, indem die vorher aufgefangenen Samenzellen des Mannes mit einer Spritze oder einem Katheter direkt in die Gebärmutter, in welcher der Eisprung bereits stattfand, eingebracht werden.

2. In-Vitro-Fertilisation (IVF)

Bei der In-Vitro-Fertilisation beginnt die Frau mit einer Hormonbehandlung, durch die das Entstehen befruchtungsfähiger Eizellen gefördert wird. Diese entstandenen Eizellen werden dann mithilfe einer Nadel durch die Scheide entnommen. Danach werden die Eizellen und die dazugehörigen Samenzellen des Mannes in einer Nährflüssigkeit zusammen gegeben, in der die Befruchtung stattfinden soll. Die befruchteten Eizellen werden später mit einem Schlauch (Katheter) in die Gebärmutter übertragen.

3. Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion läuft fast genauso wie die IVF ab. Der Unterschied besteht darin, dass die Samenzellen nicht in eine Nährflüssigkeit mit den Eizellen zusammengelegt werden, sondern unter einem Mikroskop mithilfe einer Nadel direkt in die Eizelle hineingebracht werden.

4. Intratubarer Gametentransfer (GIFT)

Auch bei dem Intratubaren Gametentransfer werden der Frau nach einer Hormonbehandlung befruchtungsfähige Eizellen entnommen. Dies geschieht jedoch während einer kleinen Operation. Während der Operation werden die Eizellen mit den vorher gewonnenen Samenzellen des Mannes in einem Katheter zusammengebracht und noch in derselben Operation in den Eileiter der Frau eingebracht. Die Befruchtung soll somit im Eileiter stattfinden.

Ob eine Fruchtbarkeitsbehandlung erfolgreich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine Rolle spielen dabei nicht nur das Alter des Paares sowie die Ursachen der Unfruchtbarkeit, sondern auch die Bereitschaft für eine Behandlung oder mehrere Behandlungszyklen. Die persönlichen Erfolgschancen sollten immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Risiken

Vor der Behandlung werden Paare ausgiebig über mögliche Risiken aufgeklärt. Die körperlichen Risiken sind überschaubar, berichtet Dr. Thorn. Die meisten Frauen würden die hormonelle Stimulation recht gut vertragen, klagten aber teilweise darüber, dass die Hormone Nebenwirkungen zeigen.

Professor Dr. Kupka aus Hamburg erklärt, dass es zum Beispiel während der Hormonbehandlung zu einer Überstimulation der Eierstöcke kommen kann, bei dem zu viele Eizellen in den Eierstöcken heranreifen. Gegebenenfalls müssten dann Eizellen eingefroren und abgewartet werden, dass sich diese wieder beruhigen. In seltenen Fällen können sich die Eierstöcke stark vergrößern, sodass Übelkeit, Bauchschmerzen oder auch ein Zuwachs des Bauchumfangs entstehen, darüber informiert aktuell das Uniklinikum Tübingen auf seiner Internetseite. Das Risiko, dass das zu einem Krankenhausaufenthalt führt, könne allerdings laut Klinikum durch regelmäßige Kontrolle auf weniger als ein Prozent gesenkt werden. Geringfügig erhöht sei während des ICSI-Verfahrens außerdem das Fehlbildungsrisiko, die Ursache dafür ist noch nicht erforscht. Experten vermuten, dass das durchschnittlich höhere Alter von Kinderwunschpatienten und die teilweise vorhandene erbliche Vorbelastung eine Rolle spielen.

Professor Dr. Kupka und auch Dr. Thorn weisen zusätzlich auf das Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft hin. Dieses ist bei einer künstlichen Befruchtung wahrscheinlicher und stellt ein größeres Risiko dar als die Geburt eines einzelnen Kindes. Anders als bisher gedacht hat eine künstliche Befruchtung keinen Einfluss auf Geburtsgewicht oder -termin. So berichtete die Max-Planck-Gesellschaft erst im Jahr 2019, dass eine künstliche Befruchtung nicht das Risiko einer Frühgeburt oder von niedrigem Geburtsgewicht erhöht.

Laut Familientherapeutin Dr. Thorn sei darüber hinaus aber das größte Risiko, dass die Behandlung ohne Erfolg bleibt und das Paar die medizinische Behandlung abschließen muss, ohne dass eine Schwangerschaft eingetreten ist. Da dies bei rund der Hälfte der Paare der Fall sei, rät sie dazu, zumindest über eine Lebensalternative nachgedacht zu haben.

Erfolgsfaktoren

Körperlich sowie mental können Paare den Erfolg der künstlichen Befruchtung maßgeblich positiv beeinflussen. Positiv auswirken können sich eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung sowie Stressreduktion. Eine Frau während einer Hormonbehandlung sollte kaum oder wenig Alkohol trinken und auf Nikotin verzichten. Das gilt auch für Männer, denn beides kann die Spermienqualität des Mannes erheblich verschlechtern.

Ein Paar in dieser schwierigen Zeit sollte vor allem auf sich selbst und auf die Paarbeziehung achten, so die Familientherapeutin. Da die Kinderwunschzeit und vor allem die Zeiten der Behandlungen für fast alle mit großer Anspannung verbunden seien, sei es hilfreich, dieser negativen Anspannung eine positive gegenüberzustellen. Beispielsweise, indem sich das Paar regelmäßig eine Auszeit nimmt und ganz bewusst Aktivitäten plant, die ihm gut tun.

Der Hamburger Professor Dr. Kupka empfiehlt, vor der Behandlung alle bürokratischen Dinge zu erledigen und die Behandlung nicht in eine anstrengende Lebensphase zu legen. Zum Beispiel während eines Umzugs oder Jobwechsels - so könne sich das Paar eine Menge Stress ersparen.

Hilfe und Beratung

Idealerweise ist die erste Kontaktstelle der Haus- oder Facharzt. Eine Überweisung erleichtert die Kommunikation und erspart Zeit und Wege.

Des Weiteren ist auch eine Beratung und psychische Unterstützung vor und während der künstlichen Befruchtung sinnvoll. In Deutschland wird die Kinderwunschberatung deshalb von unabhängigen Beratern, in reproduktionsmedizinischen Zentren sowie innerhalb der Schwangerschaftsberatung als Teil der Beratung zur Familienplanung angeboten. Zahlreiche Selbsthilfegruppen oder die kirchliche Seelsorge schaffen Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Betroffenen. Viele Informationen rund um das Thema bietet außerdem das Onlineportal "Fertila".

Die Innovationskasse steht in Fragen der Finanzierung der künstlichen Befruchtung oder auch werdenden Eltern bei der herbeigesehnten Schwangerschaft zur Seite. Durch diverse Programme und Leistungen der IK wird die Schwangerschaft sorgsam geplant und möglichen Risiken frühzeitig vorgebeugt.

Dazu gehören Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen oder auch Schwangerschaftsgymnastik inklusive vorbereitender Atemtechniken. In Sachen Gesundheit wird hier nichts dem Zufall überlassen. Und auch finanzielle Unterstützung gehört dazu: Die Innovationskasse gewährt frischgebackenen Eltern einen Bonus von bis zu 200 Euro, wenn Untersuchungen regelmäßig wahrgenommen werden. Außerdem bietet die IK mit den Programmen planBaby und BabyCare weitere Leistung vor, während und nach der Schwangerschaft an.

Kinderwunschzentren im Norden

Kinderwunschbehandlungen sind in verschiedenen Orten im Norden möglich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit füllen Paare vor dem Erstgespräch ein Formular aus, das auf den jeweiligen Seiten herunterzuladen ist oder im weiteren Verlauf zugesandt wird. Weitere Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Betroffene auf den Internetauftritten der Seiten:

#diagnosenorddeutsch: aktuelle Gesundheitsthemen

Im Rahmen von #diagnosenorddeutsch behandelt die IK Gesundheitsthemen, die für alle wichtig sind und geben Tipps, die im Alltag einfach umzusetzen sind.

 

Fotohinweis: © pavelg panthermedia.net

1 Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Stand 2009

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