Im Hamsterrad der Perfektion: Body-Positivity allein hilft nicht
Fast nichts ist älter als Schönheitsideale und nichts aktueller als die Diskussion darüber. Während die Body Positivity-Szene mit diesen Idealen brechen will, existieren so viele Schönheitsideale wie nie zuvor. Die sozialen Medien dienen dabei als Katalysator - sowohl für Normen über das Aussehen als auch für die Propagierung der Gegenbewegung.
Der Trend, das enge Korsett normativer Schönheit zu hinterfragen ist erstmal ein guter Ansatz, findet Sozialpsychologe und Heilpraktiker für Psychotherapie Gerald Greenhill aus Isernhagen. Dennoch rät er neben einem differenzierten Blick zu einer gezielten Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit. Denn ein Allheilmittel sei Body Positivity definitiv nicht.
Stattdessen können sich Yoga, Tanzen oder auch Antara positiv auf das eigene Körperbild auswirken, erklärt er. Im Text geht es um das Streben nach Schönheitsidealen und Möglichkeiten, diesen weniger Wert beizumessen und stattdessen ein gesundes und positives Körperbild zu entwickeln.
Drei Fakten zum Thema Körperwahrnehmung:
|
Body Positivity - ein guter Ansatz
Diversität ist zwar kein neues Phänomen in der Gesellschaft, aber noch nicht lange wird sie auch sichtbarer. Trotz nach wie vor starken Anfeindungen werden vermehrt die Stimmen derer laut, die sich in Deutschland öffentlich zu ihrer Identität und sexuellen Orientierung bekennen oder auch Attraktivität neu definieren wollen. Dass Schönheitsnormen gerade jetzt durch die sozialen Medien präsenter denn je sind, steht dieser Entwicklung geradezu paradox gegenüber.
Als Gegenbewegung dazu ist die Body-Positivity-Szene entstanden. Die Befürworter der Bewegung wenden sich von normativen Schönheitsidealen ab und propagieren Selbstakzeptanz. Besonders populär wurde diese Haltung durch die sozialen Medien, in denen Influencer oft unter dem Hashtag #bodypositivity Bilder posten, die das Thema unterschiedlich aufgreifen. Während sich einige mit Texten und Schnappschüssen authentisch präsentieren, produzieren andere hochästhetische Fotografien, die selbstverständlich und selbstbewusst angebliche Makel wie eine Prothese mit in die Bildkomposition integrieren. 2018 haben das Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter dem Titel Zur Vermittlung von Body Positivity umfangreich analysiert und veröffentlicht.
Neben Body Positivity hat sich der Body-Neutrality-Ansatz herauskristallisiert. Body Neutrality will den Fokus nicht für seine Makel feiern und diese positiv hervorheben, sondern versteht den Körper stattdessen als Hülle für das Seelenleben. Die Makel werden dabei einfach als gegeben akzeptiert. Indem der Fokus weg von der äußeren Hülle gelenkt wird, soll das Selbstwertgefühl davon entkoppelt werden
Das Streben nach Perfektion ist endlos
In all seinen Berufsjahren saßen dem Sozialpsychologen Greenhill die unterschiedlichsten Patienten gegenüber, die mit ihrem Körperbild nicht zufrieden waren. Seit in den letzten Jahren die sozialen Medien hinzukamen, habe dies sogar noch zugenommen, sagt er. Doch warum streben wir überhaupt nach äußerlicher Perfektion?
Greenhill ist sich sicher: Einheitsaugenbrauen, aufgespritzte Lippen und damit austauschbare Masken sowie durchtrainierte Adonis-Körper sind ganz klar Ergebnisse aus vorgelebten Idealen auf Instagram und Co. Hinter der konstruierten Realität sei allerdings die Industrie der Strippenzieher, das Streben nach den Idealen eines nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Kritisch fügt er hinzu: "Wenn Goethe auf Instagram Faust veröffentlicht hätte, dann hätte er kaum ein Like bekommen. Instagram ist aufs Äußere fokussiert und unsere Gesellschaft auch immer mehr. Dort zählen vor allem Mode, Beauty und Fitness."
Bei Verdacht auf eine krankhafte Störung der Körperwahrnehmung wird Betroffenen geraten, eine Psychotherapie in Erwägung zu ziehen. Die Behandlung bei Vertragspsychotherapeuten unterstützt die Innovationskasse. |
Die Schönen und die Mächtigen
Vermeintlich erfolgreichen und attraktiven Menschen wird schnell das Attribut gottgleich zugeschrieben, erklärt der Psychologe. So entstehe schnell eine zweifelhafte Hierarchie:
Obwohl unsere Gesellschaft vielfältig ist, wird ein ganz bestimmtes Bild von Schönheit transportiert. Ab Summe X wird das Ideal dann zur Norm. Doch auch die untersteht der permanenten Wandlung. Mit der stetigen Anpassung an die herrschenden Schönheitsideale entsteht ein Wettlauf der Absurditäten. Und das Schlimme ist: Es endet nie!
Von Natur aus wollen Menschen in der Hierarchie möglichst weit oben eingeordnet werden und an der angeblichen Macht der vermeintlich Schönen und Mächtigen partizipieren. Verhältnismäßig schnell greifbar erscheinen dann Maßnahmen und Mittel, um das eigene Erscheinungsbild an diese Normen anzupassen.
Die Professorin und Soziologin Nina Degele beschreibt dieses Streben auch als soziale Positionierung, mit der Identität nach außen getragen wird. Gesellschaftliche Anerkennung ist dabei das oft aussichtslose Ziel: "Dabei wird der Körper gestylt, kontrolliert und geformt, bis er dem Ideal der erfolgreichen Schönen aus der Werbung entspricht - was meist nicht gelingt." Und auch Greenhill hält fest: "Darstellende Schönheit hat nichts mit Glück und immerwährender Zufriedenheit zu tun!"
Schönheit kommt von innen
Die Person mit ihrer Persönlichkeit inklusive aller Ecken und Kanten ist das, was sie wirklich schön sein lässt. Äußerliche Individualität können Narben sein, Lachfalten oder auch die natürliche Körperform. Werden diese besonderen Merkmale durch Schönheitsoperationen verändert, wird das Selbst mit der Annäherung an die Norm austauschbar. Seinen Körper einem Trend entsprechend zu trainieren, hebt also nicht ab, sondern gliedert in eine Reihe anderer ein. Konkurrenz, Druck und Vergleich sind die Folge. Greenhill kritisiert, dass so eine Massenschönheit entstehe. Und wer will schon gern nur einer von vielen sein?
Nicht austauschbar ist das Wesen eines Menschen. Der Sozialpsychologe überspitzt das und sagt: "Was bringt Ihnen jemand, der eine makellose Hülle hat, Sie aber nur noch wegrennen wollen, sobald er oder sie den Mund aufmacht? Dann ist die Attraktivität binnen Sekunden futsch!"
Neben der äußeren Erscheinung sind also vor allem die Persönlichkeit und das Handeln signifikant, um wirklich und langfristig als schön wahrgenommen zu werden. Hier zählen Dinge wie soziales Engagement, Hilfsbereitschaft, Treue - Eigenschaften, die einen Menschen unabhängig von der äußeren Attraktivität schnell schön machen. Jedes Alter hat außerdem seine eigene Attraktivität. Sich zwanghaft dem natürlichen Alterungsprozess entziehen zu wollen sei ebenfalls ein Zeichen für fehlende Selbstakzeptanz, so Greenhill.
Body-Positivity kann gesunden Menschen helfen. Doch sobald es in den hochkomplexen Bereich psychischer Erkrankungen geht, wirkt allein ein positives Mindset nicht. Auch langfristig gesehen sind Methoden wirkungsvoller, die sich fernab von Social Media bewusst mit dem eigenen Körper beschäftigen.
Du bist schön! - Wege zu einem positiven Körperbild
Zunächst ist für Greenhill ausschlaggebend, sich selbst gegenüber radikale Selbstakzeptanz walten zu lassen. Dazu gehört das Bewusstsein, dass das eigene Selbst sowieso alternativlos ist. Auf die Partnersuche bezogen hat jeder die Chance, die passende Person zu finden, solange er sich ehrlich sichtbar macht und zu sich steht, sagt der Psychotherapeut, der auch Paare therapiert. Es gebe so viele unterschiedliche Ideen von Attraktivität, jeden ziehe etwas anderes an.
Die dem Selbst zugewandten Sportarten Yoga oder Tanzen können zu einer positiven Körperwahrnehmung führen. Und auch Antara ist eine spannende Art, sich und den eigenen Körper zu erholen und diesen zu akzeptieren, wie er ist.
Zertifizierte Yoga- und Achtsamkeitskurse und viele weitere Präventionskurse können bei der Innovationskasse auch online als IKT-basierte Selbstlernkurse wahrgenommen werden! Jährlich werden Versicherte dabei mit 50 Euro unterstützt. |
Und auch mit Antara-Training wird der Körper von innen heraus stärkt. Dabei wird die tiefste Muskelschicht (Core-Muskulatursystem) gezielt angesteuert. Bewegung und Training sind hier mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über Körperhaltung und Stabilisation verbunden. Durch die innere Zentrierung, Konzentration und Gelassenheit ist Antara mit Yoga vergleichbar, setzt den Fokus aber dennoch anders.
Besonders wirkungsvoll ist Antara bei Rückenleiden. Dabei ist auch das seelische Ankommen und Wohlbefinden nach einer Trainingsstunde essenziell. Durch eine Abfolge von ruhigen und funktionellen Übungen wird der Körper schon nach kurzer Zeit beweglicher und kräftiger. Das Training wirkt insgesamt haltungsverbessernd, stärkt die positive Ausstrahlung und das Selbstbewusstsein und ist zum Beispiel in Deutschland noch recht neu. Das Konzept stammt aus der Schweiz.
#diagnosenorddeutsch: aktuelle Gesundheitsthemen
Im Rahmen von #diagnosenorddeutsch behandelt die IK Gesundheitsthemen, die für alle wichtig sind und geben Tipps, die im Alltag einfach umzusetzen sind.
Fotohinweis: © JenkoAtaman stock.adobe.com
Nutzungshinweise
Nikk ist der Chatbot der IKK - Die Innovationskasse. Er beantwortet Ihre Fragen und steht Ihnen täglich 24 Stunden zur Verfügung. Nikk befindet sich stetig in Entwicklung. Wir bitten daher um Ihr Verständnis, wenn noch nicht alles funktioniert. Die Antworten sind deshalb nicht rechtsverbindlich und stellen insbesondere keine Zusicherung dar. Sie dienen lediglich der ersten Orientierung. Sie ersetzen nicht die fachliche Beratung der IKK.
Bitte beachte auch unsere Hinweise zum Datenschutz.
Hinweis gelesen und einverstanden.
Hinweis gelesen und einverstanden.