Gesunder Rücken dank Geradehalter
Wahrheit oder Mythos
Schultergurte sollen die Körperhaltung korrigieren und werden vielfach angepriesen. Die Sportwissenschaftsprofis der Innovationskasse raten zur Vorsicht.
Ein Schultergurt, der falsche Haltungen ohne großes Zutun korrigiert und Rückenprobleme sowie Nackenschmerzen in Luft auflöst, eine Traumvorstellung. Zu erwerben ist der Gurt mit den sperrigen Bezeichnungen Geradehalter, Haltungstrainer oder auch Rückenstabilisator sowohl in Sportfachgeschäften als auch im Onlinehandel. Doch wie sinnvoll ist ein Gurt zur Haltungskorrektur eigentlich und was bewirkt er wirklich?
Fest steht: Wissenschaftliche Belege zu seiner Wirksamkeit gibt es keine. Das beweist wiederum auch nicht, dass der Geradehalter, absolut keinen positiven Effekt für einen geraden Rücken und eine bessere Haltung hat. Die Experten der IK sagen, dass es generell möglich ist, die Haltung mit einem Geradehalter zu verbessern. Allerdings nicht als alleinige Maßnahme, sondern nur in Kombination mit entsprechenden Kräftigungsübungen.
Was das genau bedeutet und wie das Expertenteam zu dieser Meinung kommt, wird bei einem näheren Blick auf die Funktion des Geradehalters deutlich.
Geradehalter gegen Fehlhaltungen
Wer auf seinem Smartphone tippt, hält den Kopf meistens gesenkt, die Nackenmuskulatur ist übermäßig strapaziert, die Wirbelsäule gekrümmt. Auch lange Stunden im Sitzen sind anstrengend, die Person sackt in sich zusammen und die Arme und Schultern befinden sich hauptsächlich vor dem Körper. In beiden Fällen neigt der Oberkörper dazu, verstärkt nach vorne zu kippen. Auf Dauer kann es so zu folgenreichen Verspannungen, Fehlhaltungen, Rückenproblemen und generell einer muskulären Dysbalance kommen. Zu einer Dysbalance kommt es, wenn verstärkte Muskelverkürzungen oder auch Muskelabschwächungen auftreten, die durch mangelnde Beanspruchung oder auch dauerhafter einseitiger Belastung entstehen
Bei einer stetig vorgebeugten und zusammengesunkenen Haltung ohne Gegentraining könne das im schlimmsten Fall zu einem Rundrücken führen. Doch Vorsicht mit vorschnellen Eigendiagnosen ohne medizinisch-fachlichen Rat: Eine Hyperkyphose kann auch angeboren oder Symptom von vorangegangenen Krankheiten oder Verletzungen sein.
Der Geradehalter soll einer solchen Dysbalance entgegenwirken. Getragen erinnert er an das Schulterholster von Polizisten, mit dem diese ihre Waffen am Oberkörper tragen. Er ist in verschiedenen Ausführungen erhältlich, das Ziel bei allen gleich: In kurzer Zeit soll er für eine deutlich aufrechtere Haltung sorgen. Der Gurt zieht die Schultern des Tragenden seitlich zurück und erhöht somit die Spannung im Schultergürtel, die Haltung des Trägers wird gerader. Hersteller versprechen, dass damit Rücken- und Schulterproblemen präventiv entgegenwirkt werden kann, diese reduziert oder gar eliminiert werden können.
Passivität
Gift für die Muskeln
Das Sportteam der Innovationskasse warnt davor, den Geradehalter als Zaubermittel gegen Nacken-, Schulter- und Rückenprobleme jeglicher Art zu nutzen. Der Gurt sollte nur ein paar Stunden getragen werden, vielleicht zwei, maximal drei. Also so, dass der Körper sich auf jeden Fall nicht daran gewöhnt.
Denn: Gewohnheit verhindert, dass die wichtigen und stabilisierenden Muskeln mobilisiert und gestärkt werden. Von außen in Position gebracht, müssen diese dann selbst nicht mehr arbeiten. Durch die passive "Haltungskorrektur" werden die Muskeln auf Dauer abbauen, die Fehlhaltung kann somit sogar noch verstärkt werden. Die Muskeln werden eher geschwächt anstatt gestärkt, so wie es eigentlich sinnvoll ist, um wirklich langfristig eine gute und gesunde Körperhaltung zu bekommen. Zwar kann der Gurt tatsächlich bereits beim ersten Tragen einen positiven Effekt auf die Haltung haben, aber nur, solange der Gurt auch getragen wird. Langfristig wachsen und lernen Muskeln aber nur durch aktive Kontraktion, also das Anspannen, Verkürzen oder Zusammenziehen der Muskelzelle. Um seinem Körper etwas Gutes zu tun und langfristige Erfolge zu erzielen, muss also aktiv etwas getan werden. Es ist in etwa so wie mit dem kurzfristigen Effekt von Massagen, man fühlt sich zwar gut, das hält aber nicht lange an.
Bei dauerhaften Rücken- und Nackenproblemen sollte weiterhin der Gang zum Arzt oder Orthopäden die erste Priorität sein. Präventiv kann jeder aber mit den richtigen Übungen ganz einfach selbst etwas für einen gesunden Rücken tun.
Übungen
Für einen gesunden Rücken
Ideal sind Übungen, die sich nicht nur auf eine bestimmte Muskelgruppe konzentrieren, sondern den ganzen Rücken stärken. Die Anatomie basiert auf Muskelgruppen, die einander entgegengesetzt sind. So ist der Antagonist der muskuläre Gegenspieler zum Agonisten. Wird zum Beispiel der Bizeps (Agonist) im Oberarm aktiv angespannt - also verkürzt, wird der Gegenspieler, der Trizeps (Antagonist), dabei passiv gedehnt. Optimales Training beansprucht also jeweils beide Muskelgruppen. Vergleichbar ist das mit der Ernährung, auch hier ist Ausgewogenheit wichtig, eine einseitige Aufnahme von Nährstoffen führt zu Mangelerscheinungen. Für eine optimale Haltung sollte also nicht nur die Rückenmuskulatur, sondern auch die entgegengesetzten Bauchmuskeln trainiert und die Brustmuskulatur regelmäßig gedehnt und gelockert werden.
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Bei den Rückenübungen empfiehlt das Sportteam der IK Übungen, die Muskeln, Sehnen und Gelenke aktivieren, das Nervensystem stimulieren und dabei die Muskeln stärken. Das sind einfache Übungen, über die man vielleicht auch mal schmunzelt, aber das sind genau die Übungen, die helfen, wenn man diese während eines langen Arbeitstages mal macht.
Schulterkreisen
Sie kreisen ihre Schultern rückwärts. Wer möchte, kann seine Ellenbogen dabei mitnehmen oder auch die Arme an den Körperseiten hängen lassen. Mit dieser Übung werden die Muskeln im Oberkörper mobilisiert. Dabei gehen die Schultern in die Position, in der sie sein müssten.
Arme strecken "Äpfel pflücken"
Um die Brust- und Rückenmuskulatur zu dehnen und zu lockern, greifen Sie stehend mit ihren Händen abwechselnd in die Höhe. Idealerweise sieht es so aus, als würden Sie Äpfel pflücken. Versuchen Sie dabei, immer ein Stückchen höher zu gelangen.
Auf dem Bauch liegen und alle Viere hoch
Klassisch und einfach in der Umsetzung ist auch diese Übung: Sie liegen auf dem Bauch und heben gleichzeitig Arme und Beine an. Diese Position halten Sie für ein paar Sekunden, bevor Arme und Beine wieder abgesetzt werden. Nach ein paar Wiederholungen ist der Effekt schon im Rücken zu spüren.
Katzenbuckel
In der Ausgangslage befinden Sie sich im Vierfüßlerstand. Hände, Knie und Füße sind auf dem Boden, die Knie stehen hüftbreit auseinander. Für ein paar Sekunden drücken Sie den Rücken zum Katzenbuckel nach oben und atmen mehrmals tief ein und aus. Anschließend entspannen Sie die Muskulatur, so dass Sie sich in einem leichten Hohlkreuz befinden. Wiederholen Sie den Vorgang drei bis viermal hintereinander.
Ruderzüge
Zusätzlich empfiehlt das Team Kräftigungsübungen, wie zum Beispiel Ruderzüge mit sogenannten Schlingentrainern. Das sind elastische Gurte, an deren Enden sich Griffe befinden und mit denen die verschiedensten Übungen möglich sind. Beim Rudern an dem Schlingentrainer wird das eigene Körpergewicht nach oben gezogen und somit Arme und der obere Rücken trainiert. Zweckentfremden könnte man zum Beispiel auch eine Stange, die sich auf Brusthöhe befindet, beispielsweise auf einem Spielplatz. Dabei werden die Füße so aufgestellt, dass die Person sich schräg wie ein Brett hochziehen kann. Auch Klimmzüge trainieren die Oberkörpermuskulatur gut, wenn das noch zu schwer ist, sind die Ruderzüge eine Alternative.
Generell kann jede Sportart zu einer gesunden Haltung beitragen. Gezieltes Krafttraining kann speziell den Rücken im Fokus haben, aber auch Tanzen und Turnen, Yoga, Schwimmen oder Pilates vereinen Übungen für eine gute Körperspannung, Stabilitätsübungen und Muskeltraining.
#diagnosenorddeutsch: aktuelle Gesundheitsthemen
Im Rahmen von #diagnosenorddeutsch behandelt die IK Gesundheitsthemen, die für alle wichtig sind und geben Tipps, die im Alltag einfach umzusetzen sind.
Fotohinweis: © glisic_albina stock.adobe.com (Heroimage Seitenkopf), © aria_serdtseva stock.adobe.com (Absatz "Ruderzüge")
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